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Strikter Sparkurs: Vodafone muss 2000 Stellen abbauen
Vodafone verschärft sein bereits vor einiger Zeit angekündigtes Sparprogramm in Deutschland. Der Telekom-Konkurrent werde rund 2000 Stellen einsparen und verlagern, teilte der Konzern heute mit.
Vodafone zählt in Deutschland rund 15.000 Beschäftigte, etwa ein Drittel davon in der nordrhein-westfälischen Landeshauptstadt. Von dem Programm wären rechnerisch damit 13 Prozent der Beschäftigten betroffen. Insgesamt plant Vodafone mit dem Maßnahmenpaket in den kommenden zwei Jahren rund 400 Millionen Euro einzusparen.
Transformationsprogramm vom scheidenden Chef
Ein Bild aus besseren Tagen: Vor zwanzig Jahren entstand aus der ehemaligen Mannesmann Mobilfunk ("D2-Privat") die heutige Vodafone (zunächst Vodafone D2).Foto: Picture Alliance / dpa Das sogenannte "Transformationsprogramm" wurde noch vom scheidenden Firmenchef Philippe Rogge verkündet, der selbst in wenigen Tagen seinen Schreibtisch in der Düsseldorfer Zentrale räumen wird. In einer Ansprache an die Beschäftigten versuchte Rogge zum Abschied noch einmal Aufbruchstimmung zu erzeugen.
Vodafone habe begonnen, sich neu auszurichten - und sei mit verbesserten Netzen und Angeboten in den vergangenen Quartalen wieder auf den Wachstumspfad zurückgekehrt. Nur: Die Konkurrenz zog ihm davon.
"Vodafone will sich deshalb in den kommenden zwei Jahren noch einfacher, schneller, schlanker und damit schlagkräftiger aufstellen", so die Aussage aus Düsseldorf. Doch wie soll das gehen?
Schweres Erbe
Rogge hatte im Sommer 2022 von seinem Vorgänger Hannes Ametsreiter ein schwieriges Erbe übernommen. Während der Corona-Pandemie ging ganz Deutschland online. Und damit waren auch die Internet-Leitungen über TV-Koaxkabel, die Vodafone von Kabel Deutschland und Unitymedia für sehr viel Geld übernommen hatte, plötzlich bis zum Anschlag ausgelastet.
Auch nach dem Ende der Pandemie kam Vodafone trotz erheblicher Investitionen ins überlastete Netzwerk kaum mit den gestiegenen Anforderungen der Kundschaft hinterher, die ohne Netz-Ruckler im Home-Office arbeiten oder am Feierabend Videos streamen möchte.
Herausforderung: Ohne Nebenkostenprivileg
Beim Kabelnetz steht Vodafone aber nicht nur in der Pflicht, die versprochenen Gigabyte-Geschwindigkeiten abzuliefern. Eine große Herausforderung ergibt sich auch durch den Wegfall des Nebenkostenprivilegs beim Kabel-Fernsehen für die Mieter in Mehrfamilienhäusern. Bekanntlich dürfen ab dem 1. Juli 2024 die Kosten für den Kabel-TV-Anschluss dem Mieter nicht mehr in den Mietnebenkosten in Rechnung gestellt werden.
Als größter Kabelnetzbetreiber in Deutschland ist Vodafone davon besonders betroffen, denn zumindest ein Teil des TV-Geschäfts wird nicht mehr bei Vodafone bleiben, sondern von neuen Konkurrenten wie der Telekom oder anderen Festnetzanbietern oder von OTT-Angeboten wie Waipu.tv oder Zattoo übernommen werden, für die es nur eine stabile Internetverbindung braucht. In Ballungsgebieten kann mit einer Zimmerantenne DVB-T2 noch empfangen werden, die öffentlich-rechtlichen Programme gibt es dort nahezu kostenfrei (bis auf den Rundfunkbeitrag). Nur der Strom für den Fernseher und den vielleicht notwendigen Beistell-Decoder ist noch zu bezahlen.
Aus der Düsseldorfer Firmenzentrale hört man allerdings auch, der Wegfall des Nebenkostenprivilegs sei schon vor der aktuellen Sparrunde im Firmen-Etat berücksichtigt worden und kein Grund für die neuen Sparbemühungen sei.
Das "Transformationsprogramm" soll nicht nur ein Sparprogramm sein, weil zeitgleich frisches Geld in die Digitalisierung, den Ausbau der Netze, die Verbesserung des Kundenservice sowie in die Entwicklung neuer Produkte investiert werde.
Bringt ein TV-Streaming-Stick die Wende?
Zu den ins Auge gefassten "einfacheren Produkten und Service" soll dem Vernehmen nach auch ein neuer Streaming-Stick für den Fernseher gehören, so wie er vom Erzkonkurrenten Deutsche Telekom als MagentaTV-Stick oder von Google als Chromecast TV angeboten wird. Ob Vodafone damit noch punkten kann?
Andere Initiativen betreffen das Backend. Dort sollen unter anderem bislang strikt getrennte Kundenbetreuungssysteme für Kabelanschluss und Mobilfunk zusammengeführt werden - eine dringende Jahrhundertaufgabe, die Blut und Tränen kosten wird, weil die Systeme teilweise 30 Jahre alt sind. Gleichzeitig will Vodafone seine Energiekosten und den damit verbundenen CO2-Fußabdruck verringern. Das soll unter anderem durch die Modernisierung von Netzelementen und IT-Systemen gelingen.
Veränderungen "sozialverträglich"
Bei den personellen Veränderungen werde Vodafone "sozialverträglich" vorgehen, versprach Rogge zum Abschied. Bestimmte manuelle Tätigkeiten würden künftig durch verstärkte Automatisierung ausgeübt werden. Vodafone will in anderen Bereichen aber auch neue Leute einstellen.
Wachstumsfelder wie das Cloud-Geschäft sowie "kundennahe Positionen vor allem im Firmenkundenbereich" sollen mit Experten gestärkt werden.
Eine Einschätzung (von Henning Gajek)
Die Probleme bei Vodafone sind nicht neu und wurden hier schon mehrfach beschrieben. Geändert hat sich viel zu wenig. Wichtige Führungskräfte haben das Unternehmen verlassen oder wurden sie von England verabschiedet?
Vodafone müsste im Handel und Vertrieb sparen. Doch die "Vodafone-Partner-Shops" arbeiten auf eigene Rechnung und Risiko und dürfen vertraglich nur Vodafone-Produkte verkaufen. Wo Neukunden nicht in Sicht sind, besteht der massive Druck, den bestehenden Kunden noch irgendetwas "Neues" dazu zu verkaufen (wovon sie vielleicht nichts wissen oder es nicht wollen).
Was Vodafone möglicherweise verstanden hat, sein eigenes Netz weiter um- und vor allen Dingen in den weißen Flecken weiter auszubauen. Leser berichten über massive Netzaufrüstungen, die offiziell - warum auch immer - (noch) nicht kommuniziert werden. Aber es gibt Regionen, aus denen unsere Leser über ein nicht vorhandenes oder extrem wackliges Vodafone-Netz berichten. Dort tut sich wenig bis gar nichts. Dann gibt es Orte, an denen Vodafone scheinbar von kündigungswilligen Standort-Vermietern überrascht wurde und daher keine unterbrechungsfreie Weiterversorgung garantieren konnte, sprich: Die Kunden werden ohne Vorwarnung ins Funkloch geschickt.
Vodafone müsste in den Kundenservice investieren, und den Hotlinern strikt verbieten, bei Störungen und Fragen zu bestehenden Produkten, den Kunden ungefragt neue Produkte zu verkaufen. Bestimmte Kundensysteme und Kundenservices müssten zurück nach Deutschland oder Europa geholt werden, wo sie von Personal betreut werden, die im unmittelbaren Dialog mit den betroffenen Kunden stehen. Indien ist dafür viel zu weit entfernt und Sprachunterschiede erzeugen mehr Kosten als Einsparungen.
Nervige Haustürverkäufer, die "im Auftrag von Vodafone" (oder auch nicht), verunsicherte Mieter und Hauseigentümer "besuchen", haben eine Spur der Verwüstung hinterlassen, die am Ende Vodafone mehr schadet, als sie nutzt.
Pressewirkungsarme Abschalt-Meldungen, wo bisherige Vodafone-Kabel-Kunden, deren Vermieter oder sie selbst die Kabel-Verträge nicht verlängern wollten, abgeschaltet werden, mögen rechtlich ok sein. Psychologisch ist es ein Alptraum und ein klares Signal an die Kunden, den Anbieter zu wechseln. Diese Kunden sind für lange Zeit weg oder kommen nie wieder.
Die Radikalkur, die Vodafone bräuchte, wird die englische Zentrale nicht zulassen wollen:
Alle Verträge auf monatliche Kündigung umstellen, auch bereits bestehende und zwar sofort. Das könnte zunächst eine Kündigungswelle lostreten, die aber schnell verebben dürfte, wenn die Kunden merken, dass sie jederzeit kündigen können, aber vielleicht gar nicht müssen.
Quelle des vollständigen Artikels:
https://www.teltarif.de/nr0/vodafone-sparkurs-probleme/news/95044.html