Nachrichten
- Kategorie: teltarif
Huawei in 5G-Netzen: Streit um aktive und passive Elemente
Das Thema Huawei bewegt die Gemüter. Was ist technisch möglich, was ist Unsinn? Je nachdem wen man dazu fragt, bekommt man unterschiedliche, oft politisch vorbelastete Antworten. Die Wirtschaftszeitung "Handelsblatt" und ihr Schwestermagazin "Wirtschaftswoche" (kurz WiWo) sehen China schon länger überaus kritisch.
EU empfiehlt Huawei rauszuwerfen
Wie gefährlich ist die Technik von Huawei? Telekom und EU sind unterschiedlicher Ansicht.Logos: Anbieter, Foto/Montage: teltarif.de Die EU empfiehlt, den chinesischen Anbieter Huawei aus den Antennenzugangsnetzen (RAN) komplett zu entfernen. Tim Höttges, Chef der Deutschen Telekom, sieht das verständlicherweise anders und bezog beim Bundesverband der Industrie (BDI) klare Gegenposition, wie die Wirtschaftswoche berichtet. „Ist eine Antenne ein systemkritisches Element des Funknetzes?“, habe Höttges gefragt und hinzugefügt: „Man kann das diskutieren, aber im deutschen Recht wird sie nicht als systemkritisch definiert schließlich gibt es auch in jedem Handy eine Antenne und einen Sender“, so Höttges. Für die WiWo ist das eine "Verharmlosung der Gefahr".
Netze in der Cloud als Risiko?
Bei 5G wandere immer mehr der Intelligenz des Telekommunikationsnetzes aus dem Kernnetz in die Peripherie zu den Antennen, rechnet die WiWo vor, die bisher klaren Grenzen zwischen Kernnetz- und Antennenzugangsnetz lösten sich auf. Bestimmte Funktionen der "Antennensoftware" würden zunehmend zentral in einer Cloud gesteuert. Möglicherweise wurden hier Funktionen des künftigen Open-RAN-Standards, den Huawei aktuell gar nicht anbietet oder unterstützt, verwechselt?
Antenne ist nicht gleich Antenne
Bei dem Begriff "Antenne" herrscht eine Begriffsverwirrung. "Antenne" ist bei alten Handys ein Stück Draht, das man oft sogar noch aus dem Gehäuse herausziehen konnte, um den Empfang zu verbessern. Bei aktuellen Modellen sind die Antennen für den Nutzer unsichtbar im Gehäuse untergebracht, beispielsweise als Leiterbahn oder einer Kombination davon.
Radio Access Network (RAN)
Bei Sendestationen gibt es das RAN, das Funkzugangsnetzwerk, das aus einer Baseband-Unit (BBU), der Funkeinheit (RRU) und der eigentlichen passiven Antenne besteht. Für optimale Empfangsempfindlichkeit und damit Reichweite baut man die RRU am besten an oder neben die Antenne. Dann geht ein Signalkabel zur BBU, die am Boden steht. In der BBU arbeiten sehr schnelle Prozessoren, um die Signale zur Antenne (genauer zu mehreren Antennen für verschiedene Frequenzen) aufzubereiten und aufzuteilen, je nach Anforderungen.
Die Frage ist nun, ob und wenn ja welche Komponenten "gefährlich" sein könnten, sprich, ob der Hersteller (z.B. Huawei) oder eine staatliche chinesische Stelle von außen auf das Netz zugreifen könnten, entweder um Daten abzugreifen oder um das Netz "zu stören", sprich wichtige Kommunikation im Konfliktfall zu stören oder unmöglich zu machen.
Telekom hatte nie Sicherheitsprobleme
Gegenüber den Kollegen von golem.de hatte die Telekom seine Argumente für einen Verbleib von Huawei, die bei der politischen Debatte vor drei Jahren den Ausschlag gaben, bekräftigt: „Es hat nie die geringsten Sicherheitsprobleme mit Huawei gegeben. Ein Fernzugriff für Herstellerfirmen auf die Systeme für das Netzwerkmanagement ist nicht möglich.“ Softwarekomponenten, so erklärt es die Telekom, würden "redundant" (es gibt also mindestens einmal Ersatz) an mehreren Standorten vorgehalten und vor einem Einsatz umfangreichen Sicherheitstest unterzogen.
Unsicherheitsfaktor Ukraine-Krieg
Seit dem Ukraine-Krieg, so die Kritiker der Situation, habe sich die Situation verschärft. Sie halten nicht nur Spionage- oder Sabotage, sondern auch schlicht einen Liefer-Boykott für denkbar. Konkret: Würden chinesische Ersatzteile und Software-Updates eines Tages ausbleiben, wäre es für Kritiker eine Frage von Wochen oder Monaten, bis das in den Netzen spürbar wäre. Das Kooperative Cyberdefense Zentrum der Nato, kurz CCDCOE, warnte laut WiWo zusätzlich vor Risiken, die ein mit chinesischen Bauteilen ausgerüstetes 5G-Kommunikationsnetz bei militärischen Truppen- oder Materialtransporten an Häfen und auf Straßen darstellen würde.
Vergangene Woche hatte ein Gremium der EU sich "enttäuscht" zu Wort gemeldet, dass erst zehn EU-Mitgliedsländer strategische "Maßnahmen gegen den Einbau von chinesischen Bauteilen in europäischen Kommunikationsnetzen" ergriffen hätten. Deutschland hatte in diesen Tagen Besuch einer hochrangigen chinesischen Delegation in Berlin. Es sei "mit Abstand die größte europäische Volkswirtschaft", die das sogenannte "5G-Toolkit" nicht umgesetzt und damit den Netzausbau mit sogenannten "Hochrisiko-Anbietern" nicht begrenzt habe, so die Vorwürfe der Kritiker. Ob diese Vorwürfe bei den deutsch-chinesischen Dialogen zur Sprache kamen? Wir können es nur vermuten.
Die EU-Kommission hatte erstmals konkret die Unternehmen Huawei und ZTE als "Hochrisiko-Anbieter" bezeichnet und den kompletten Ausschluss von Huawei-Komponenten aus ihren Kommunikationsnetzen angekündigt.
Telekom-Chef Tim Höttges hat immer wieder auftauchende Warnungen nach Ansicht der Kritiker in den Wind geschlagen und konsequent auf Huawei gesetzt. Nun werde er "die Rechnung für seine chinafreundliche Strategie" erhalten und müsse die Technik wohl ersetzen, finden die Autoren der WirtschaftsWoche.
Verbannung mit Folgewirkungen?
EU-Kommissarin Margrethe Vestager hatte betont, dass Europa sich nicht einschüchtern lasse. Höttges findet, chinesisches Equipment aus den Netzen zu verbannen, sei „keine kluge Empfehlung“. „Antennen zu verbannen hätte Konsequenzen für andere Industrien, die ihre Produkte nach China verkaufen“, warnte er. Christian Sewing, der Vorstandschef der Deutschen Bank, der mit ihm auf dem BDI-Podium saß, stimmte zu, dass von möglichen Vergeltungsmaßnahmen auch viele mittelständische Familienbetriebe betroffen sein könnten.
Laut WiWo versorgt Huawei 95 Prozent der deutschen Mobilfunker mit Technik. Das dänische Beratungsunternehmen Strand Consult schätzt, dass Huawei bei der Telekom 59 Prozent der installierten 5G-Technik geliefert hat.
Höttges will sich an Gesetze halten
Höttges habe aber betont, dass er sich gesetzkonform verhalten wolle: „Wenn Deutschland beschließt, dass wir jede chinesische Ausrüstung verbieten, ist das in Ordnung. Wir werden sofort alles tun, um diese Anforderungen zu erfüllen.“ Der Druck, mehr gegen Huawei in den Mobilfunknetzen zu unternehmen, soll laut WiWo, die das in EU-Kreisen erfahren haben will, von der Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen, persönlich ausgehen.
Hat Huawei den dänischen Betreiber TDC ausspioniert?
Die weiße Weste von Huawei hatte in Dänemark wohl Flecken bekommen. Dort berichtete das amerikanische Magazin Bloomberg Business Week, dass Huawei den dänischen Telekommunikationskonzern TDC 2019 mit Maulwürfen, Abhörequipment und Drohnen ausspioniert habe, um im Wettbewerb mit dem schwedischen Konkurrenten Ericsson einen Vertrag zu gewinnen, das dänische Mobilfunknetz auf 5G hochzurüsten. TDC bestätigte gegenüber der WirtschaftsWoche, dass „Teile dessen, was Bloomberg beschreibt, mit unserer Dokumentation übereinstimmen“. Huaweis Antwort: „Wir halten alle Gesetze und Regularien ein und bemühen uns um die höchsten Standards für unser Geschäftsgebaren. Wir streiten jegliches Fehlverhalten ab.
Quelle des vollständigen Artikels:
https://www.teltarif.de/nr0/huawei-sicherheit-telekom-wiwo/news/92227.html