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Maximilian Ardelt: VIAG Gründungschef verstorben

Im Alter von 85 Jahren ist der Manager und Unternehmer Maximilian Ardelt Ende Januar 2025 verstorben. Er war einige Jahre im Vorstand des Energiekonzern VIAG (Vereinigte Industriebeteiligungen Aktiengesellschaft) gewesen. Das damals vierte Mobilfunk-Netz in Deutschland (der Vorläufer von o2) startete unter der Leitung von Ardelt als "VIAG Interkom" (Code 262-07), auf den Handys konnte man je nach Hersteller und Softwarestand als Netzname "VIAG" oder "Interkom" oder auch "IK" lesen.
TK Pionier
Maximilian Ardelt (1940-2025), war von 1994-2000 im Vorstand VIAG AG, bewies damals Weitblick.Foto: Picture Alliance / dpa Weniger bekannt ist, dass Ardelt schon beim Service-Provider Talkline (heute bei Freenet) die Weichen gestellt hatte und beim SIM-Chipkarten-Hersteller Orgatec aktiv beteiligt war. Unter der Leitung von Ardelt startete am 1. Oktober 1998 das Mobilfunknetz von VIAG Interkom auf 1800 MHz (sogenanntes "E2-Netz") mit Firmensitz im München.
VIAG Interkom mit "Cityzone" und "Homezone (Genion)"
Als Besonderheit punktete dieser Anbieter damals mit der sogenannten Cityzone. Auf dem Display erschien eine Vorwahl oder ein Vorwahlbereich, zu dem es einen reduzierten Nahbereichstarif gab. Ein Beispiel: Im Bereich Mannheim Ludwigshafen (Vorwahl 0621) leuchtete 062 und 063 auf, womit alle Rufnummern unter diesen Vorwahlen abgedeckt waren.
Ein weiterer Knüller war "Genion" mit den netten Strichmännchen. Der VIAG-Interkom-Kunde war unter einer Festnetznummer seines Wohnortes erreichbar und konnte abgehend zum "Ortstarif" telefonieren, wenn im Display des Telefons ein Häuschen aufleuchtete. Allerdings wurde abgehend immer die Mobilfunkrufnummer angezeigt - damals war auch nur die Vorwahl 0179 in Gebrauch. Genion (Homezone mit Festnetznummer) wie genial: Dem knuffigen Genion-Männchen trauern viele Fans heute noch nach.Foto: VIAG Interkom (auf Youtube) Die "Genion"-Technik dahinter war neu und komplex und funktionierte nicht immer so, wie sich Kunden oder Anbieter das vorstellten. Entscheidend waren die Homezone-Koordinaten der zuständigen Basisstation, die im Gauß-Krüger-Format über SMS-CB-Kanal 221 ausgestrahlt wurden. Daraus "errechnete" das Handy die Homezone-Anzeige. Mit zunehmendem Netzausbau konnte es passieren, dass entferntere Stationen "störten". Schlaue Kunden mit technischem Hintergrundwissen konnten sich ihre Homezone so legen, dass sie eine maximale Größe erreichte.
Mit 4G verschwand das Häuschen
Mit der Einführung von 4G/LTE war diese Berechnungsmethode nicht mehr nutzbar. Eines Tages erweiterte man deshalb die "Homezone" auf "bundesweit", d.h. der Kunde ist deutschlandweit unter seiner Festnetznummer erreichbar, sofern der Kunde im Netz von VIAG/heute o2 zu erreichen ist. Bei Roaming wird die Verbindung zu den jeweiligen Roaming-Konditionen ins Ausland weitergeleitet.
Ardelt sah Fusion E-Plus / o2 voraus
Am Schlusstag der legendären UMTS-Versteigerung im Jahre 2000 wurden alle Lizenz-"Gewinner" nach Mainz in die Außenstelle der RegTP (Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post, Vorläufer der BNetzA) gebeten. Maximilian Ardelt fuhr in Mainz vor und war schnell von TV-, Radio und Pressevertretern umringt: "Soviel Geld für ein paar Blätter Papier, das werden unsere Kinder und Kindeskinder noch ausbaden müssen", schimpfte Ardelt damals in die Mikrofone und sagte damit indirekt die Fusion von E-Plus und o2 voraus.
Damals hatten sechs Unternehmen oder Konsortien eine Lizenz ersteigert, wovon zwei vorzeitig aufgeben mussten. Die Mobilcom-Multimedia, woran die damalige France Telecom (heute Orange) beteiligt war, musste aufgeben, weil man in Frankreich erneut den Taschenrechner gezückt hatte, nach Eingriff der Politik alle Schulden beglich und der Mobilcom Gründer Gerhard Schmidt zum Rücktritt gezwungen wurde. Die Quam, ein Joint Venture von Telefónica und Sonera Finnland, hörte ebenfalls schnell auf - es blieben zunächst vier Anbieter: Telekom, Vodafone, E-Plus und o2 (vormals VIAG). E-Plus und o2 fusionierten später zu o2.
Ardelt hatte später eine Rückerstattung oder Kompensation der UMTS-Milliarden gefordert, blitzte aber bei der Politik ab.
VIAG startete turbulent
Die Startphase (ab Herbst 1994) von VIAG Interkom verlief turbulent, weil es bei Neugründungen immer eine Zeitlang braucht, bis alle Abläufe und Prozesse richtig "rund" laufen. Viele VIAG-Pionierkunden liebten trotz aller Probleme das neue Angebot, weil die als "viel zu teuer" empfundenen Preise wieder einmal in Bewegung gebracht wurden.
Rechnungsfehler, nicht passende Homezones, die Abschaltung des ursprünglich genialen Swisscom-Roamings (mit einer VIAG-SIM-Karte waren nach Umschaltung alle deutsche Netze nutzbar) sorgten für Frust und Verwirrung. Um 1999 handelte VIAG mit der Telekom das "D1-Roaming" aus, womit über Nacht VIAG-Kunden auch dort Netz hatten, wo nur die Telekom versorgte.
Weitblick: VIAG Europlattform "Montel"
Zum Firmenimperium gehörte seinerzeit auch die VIAG-Europlattform, die unter dem Markennamen "Montel" an den Start ging. Der Kern des Angebotes war eine europäische SIM-Karte mit Liechtensteiner Rufnummer, die in allen Ländern kostenloses ankommendes Roaming erlaubte, in denen die VIAG aktiv war. Aus dem Festnetz der Telekom waren Montel-Kunden (Vorwahl +423-7xxxxx) günstiger als deutsche Mobilfunkkunden in den Netzen von Telekom, Vodafone, E-Plus oder VIAG erreichbar. Abgehend galt bei Montel ein Einheitstarif. Die VIAG-Europlattform wurde später an die Orange Schweiz verkauft, die kurzerhand alle Verträge mit (ausländischen) Endkunden kündigten und schlussendlich das Angebot komplett abschalteten.
VIAG - e.on - British Telecom - Telefónica
Die VIAG-Dachgesellschaft landete beim Energiekonzern e.on, der mit Telekommunikation nichts anfangen konnte oder wollte. Die Mobilfunk-Aktivitäten wurden an die British Telecom (BT) verkauft, die ihre neue deutsche Tochter sofort enger unter Kontrolle bringen wollte. Das gefiel VIAG-Interkom-Chef Maximilian Ardelt nicht und er verließ 2000 das Unternehmen.
Nach Ardelt kam o2
Ardelts späterer Nachfolger Rudi Gröger brachte dann das Kunststück fertig, mit geringem Aufwand und maximalem Effekt die neue Marke "o2" zu etablieren. "o2" blieb auch erhalten, nachdem die British Telecom ihr Netz in Deutschland an die spanische Telefónica verkauft hatte und später im Zuge weiterer Umstrukturierungen das Netz "Everything Everywhere" von der Deutschen Telekom und Orange Frankreich "erbte". Dadurch ist die deutsche Telekom mit 12 Prozent an British Telecom beteiligt.
VIAG/o2 kündigt D1-Roaming
Um 2000 kündigte VIAG/o2 das D1-Roaming-Abkommen und stürzte seine Kunden aufgrund verzögertem eigenen Netzausbau ins Funkloch. Nicht alle Kunden waren davon begeistert.
Fusion mit 14 Jahren Verspätung
Was Ardelt schon 2000 vorhergesehen hatte, wurde 14 Jahre später Realität: Aufgrund der immensen Kostenbelastung durch die UMTS-Lizenz wurden aus Kostenüberlegungen die Angebote von E-Plus und o2 zusammengelegt. Die Zusammenlegung von E-Plus und o2-Netz forderte den Kunden wieder einiges ab. Nicht alle Kunden hielten durch, sondern wechselten enttäuscht den Anbieter.
Höttges startete bei VIAG
Der heutige Telekom-Chef Tim Höttges begann seine Karriere übrigens im Controlling bei VIAG Interkom in München und hatte seinerzeit die Fusion von VIAG AG und VEBA AG zu E.on AG organisiert.
Quelle des vollständigen Artikels:
https://www.teltarif.de/nr0/nachruf-maximilian-ardelt-viaginterkom/news/97733.html