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Telekom: Kupfer-Migration vs. Zwangsanbieterwechsel
Mit der "Melody of Europa", aus Netzdaten der Telekom von einer "KI" komponiert und von einer echten Musikerin auf einer elektrischen Violine gespielt eröffnete die Telekom ihren Netzetag 2024 in Berlin und stellte erstmalig ihr neues Konzerngebäude "Magenta Mitte" (das ehemalige "Otto Bock Haus") der Öffentlichkeit vor.
Die "Melody of Europe" war aus 109 Milliarden Datenpunkten in allen europäischen Netzen der Telekom entstanden. Netze mit hohen Aktivitäten erzeugten eine "hohe Note". Aus Stellen mit wenig Aktivitäten wurde eine "tiefe Note" und die KI macht daraus Musik (mit fachlicher menschlicher Hilfe). Mehr dazu sehen Sie im nachfolgend eingebunden YouTube-Video:
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Telekom-Deutschland-Chef Srini Gopalan kündigte seine Rede in Kurzform an: "Wir haben unser Versprechen gehalten." Die Priorität liege beim Glasfaserausbau, die Zahlen wurden ja schon mehrfach kommuniziert. Privat hat Gopalan jetzt auch Glasfaser zu Hause, verriet er, was ihn doppelt freut. Gopalan will allergrößten Wert darauf legen, noch mehr Kunden von "Home Passed" (die Leitung führt am Haus vorbei) auf "Homes Connected" (der Anschluss ist aktiv und kann genutzt werden) zu bringen.
2024 werde es mehr als 450.000 neue Glasfaser-Kunden geben, 70 Prozent mehr als 2023 und für 2027 werden 1 Million Neukunden angepeilt. Die tägliche Internetnutzung der Kunden sei von 3,5 bis 6 Stunden angestiegen. Die Marktforschung hat herausgefunden, dass die Kunden um so zufriedener sind, um so schneller ihr Anschluss läuft. Bisher habe man 100 MBit/s Kupfer für 49 Euro pro Monat bekommen, jetzt gebe es dafür das dreifache. Für Telekom-Deutschland-Chef Srini Gopalan darf die Kupfer-Glasfasermigration kein Zwangsanbieterwechsel werdenFoto: Henning Gajek / teltarif.de
Erst 40 Prozent haben Glasfaser
Gopalan räumte ein, dass in Deutschland erst 40 Prozent der Haushalte mit Glasfaser erschlossen seien. Davon habe die Telekom 22 Prozent und der Wettbewerb 18 Prozent gebaut.
Die Baukosten pro Meter vergrabener Glasfaser haben sich bei 85 Euro pro Meter eingependelt. Sobald "minder tief" gebaut werden darf, sinken die Kosten auf 45 Euro. Würden die Leitungen oberirdisch verlegt, ließe sich ein Preis von zehn Euro pro Meter realisieren.
An Kooperation interessiert
Durch die Mitgliedschaft im Glasfaserverband Buglas wolle die Telekom signalisieren, dass sie an Kooperation interessiert sei und über den Verband könne man einen besseren Zugriff auf die Entscheider, z.B. in den Städten, bekommen.
Mehrfamilienhäuser: Mieter wollen, Eigentümer zögern
Ein Riesenproblem zeigt sich bei der Glasfaserversorgung von Mehrfamilienhäusern. Dort gebe es eine hohe Nachfrage, aber die Eigentümer und Hausverwaltungen würden viel zu lange brauchen bis verbindliche Entscheidungen gefällt sind.
Auf einen Faktor ging Gopalan nur am Rande ein: Sogenannte "Netzebene 4"-Anbieter (die das Inhouse-Netz vom Keller bis zum Mieter "verwalten") fürchten um ihr Geschäftsmodell, wenn die Telekom das Recht erhält, ihre Glasfaser an deren Netzen vorbei zu dem Kunden zu verlegen. Bisher "verschwanden" die Kosten der Netzebene 4 in der Nebenkostenabrechnung des Vermieters. Das ist jetzt nicht mehr zulässig.
Gopalan betonte, dass 60 Prozent des Landes noch nicht versorgt seien, stattdessen werde über zwei Prozent Doppelausbau diskutiert.
Kupfermigration oder Zwangsanbieterwechsel?
Die von den privaten Konkurrenten ins Spiel gebrachte schnellstmögliche Abschaltung von Kupfernetzen sieht Gopalan kritisch. "Wir reden nicht über Kupfermigration, sondern über einen Zwangsanbieterwechsel."
Das bedeutet, ein Kunde, der in einem Gebiet wohnt, wo nur ein Konkurrent der Telekom Glasfaser gebaut hat oder bauen will, wird gezwungen, zur Konkurrenz zu wechseln. Spätestens aber, wenn die Telekom ihr Kupfernetz abschalten müsse. Preis, Service oder verbaute Technik des neuen Anbieters spielen keine Rolle. "Das ist kundenunfreundlich!" Und weiter: "Dann hat die Deutsche XY (gemeint sind Glasfaseranbieter im Wettbewerb) dort ein Monopol".
Das ergibt für Gopalan "keinen Sinn". Außerdem müsse man bei der Kupferabschaltung auch über "Cable" (TV-Koaxkabel) reden, auch das sei schließlich Kupfer. "Wir führen keine Debatte über Migration, das ist ein Ablenkungsmanöver!" Beim Netzetag der Telekom. Von links: Philipp Schindera (SVP Unternehmenskommunikation Telekom), Srini Gopalan (CEO Telekom Deutschland), Claudia Nemat (Vorständin Technologie Telekom AG) und Abdu Mudesir (CTO Telekom Deutschland)Foto: Henning Gajek / teltarif.de
Ausbau und Auslastung verbessern
Für Gopalan sind andere Punkte wichtig: "Wie können wir Ausbau und Auslastung verbessern? Wie sieht die Schnittstelle zu anderen Anbietern aus?"
Die zumeist von Private Equity (Finanzinvestoren) finanzierten Anbieter im Wettbewerb wollten nach 5-7 Jahren in die Gewinnzone. Das sei aus deren Sicht verständlich, bei der Telekom denkt man eher langfristig und präferiert das Schwungradmodell. Über den Netzausbau im Mobilfunk mit mehr Tempo und die Frage nach 5G-SA berichten wir noch gesondert.
Eine Einschätzung von Henning Gajek
Die privaten Konkurrenten der Telekom möchten gerne möglichst schnell möglichst viele Kunden haben, um ihre Investoren zufriedenzustellen und deren Kredite rechtzeitig abzubezahlen. Danach wäre man in der Gewinnzone. Doch viele Kunden sind mit der Telekom zufrieden und wollen aus verschiedenen Gründen nicht wechseln. Würde nun die Telekom gezwungen, ihr Kupferkabel abzuschalten, müssten die bisherigen Telekom-Kunden sich vor Ort einen neuen Anbieter suchen, sofern die Telekom nicht doch eigenständig Glasfaser ausbaut. Das stellt aber sofort den Vorwurf des "Doppelausbaus" in den Raum.
Leider liest man viel zu oft in Foren und sozialen Medien über hochgradigen Murks und Pfusch, den manche neue (unerfahrene) Anbieter beim Aufbau der Glasfasernetze anrichten. Auch in seriösen Tageszeitungen sind teilweise überaus kritische Berichte zu finden. Verständlich, dass viele Kunden vor diesem Chaos "Angst" haben und lieber nichts an ihrem Anschluss ändern möchten. Die Frage bleibt auch, ob ein so erzwungener Anbieterwechsel durch Netzabschaltung rechtlich überhaupt möglich ist. Oder müssten erst alle vorhandenen Kupfer-Anschlüsse für den Kunden kostenfrei auf Glasfaser umgestellt und danach zum gleichen Preis (bei gleicher Leistung) wie vorher fortgeführt werden? Es ist verständlich, dass die privaten Konkurrenten um ihr Geschäftsmodell fürchten. Die Telekom wird sich aber freiwillig kaum zahlreiche Kunden abnehmen lassen wollen.
In den Häusern sind Netzebene-4-Provider unterwegs, die bisher weitgehend unerkannt bleiben konnten, solange ihre Rechnung über die Mietnebenkosten beglichen wurde.
Quelle des vollständigen Artikels:
https://www.teltarif.de/nr0/telekom-netzetag-berlin-magenta-mitte-glasfaser/news/97209.html